Kleine Impformation:

Wie beunruhigend ist es, dass Leute, die vollständig geimpft sind, positiv testen?
Um das zu verstehen, brauchen wir ein bisschen Background-Wissen.

1. So schaut ein Infektionsverlauf für eine ungeimpfte Person aus
Erklärung:
- Es gibt eine Inkubationsphase. Im Median dauert es 5 Tage zwischen Ansteckung und ersten auftreten von Symptomen.
- Die Virenlast ist am höchsten zu dem Zeitpunkt, wo die Symptome auftreten
- Kurz vor und ein paar Tage Symptombeginn ist das Ansteckungsrisiko groß
2. Die Tests:
- Mit Schnelltests testest du als Faustregel in etwa dann positiv, wenn du ansteckend bist.
- PCR-Tests sind auch dann positiv, wenn du noch nicht oder nicht mehr ansteckend bist, weil Sie sehr sensitiv sind. Mit rt-PCR lässt sich das Ansteckungsrisko beurteilen
Dafür verwenden wir den ct-Wert, das ist die Anzahl der Zyklen, die die PCR läuft, bis sich die Viren-RNA in der Probe bemerkbar macht. Bei jedem Zyklus wird die Menge des untersuchten Abschnittes verdoppelt.
Ein ct-Wert von >30 (mehr als 30 Verdopplungszyklen nötig) interpretieren wir als "nicht mehr ansteckend".
Bei ct 20 ist das 1.000-fache an RNA vorhanden,
Bei einem ct von 10 ist das 1.000.000-fache vorhanden.

(ct von <10 sind relativ selten)
Dementsprechend verhält sich auch das Ansteckungsrisiko - das unterscheidet sich je nach Patient und je nach Zeitpunkt um ein Vielfaches.
Jetzt kommt die nächste wichtige Graphik:
Wie funktioniert überhaupt eine Impfung?
Ungeimpft dauert es eine gewisse Zeit, bis dein Immunsystem anspringt - in diesem Zeitraum kann sich das Virus ungehemmt exponentiell in deinem Körper vermehren.
Wenn dein Immunsystem angesprungen ist, nimmt die Virenlast recht schnell wieder ab - 10 Tage nach Symptombeginn sind (von schweren Verläufen abgesehen) die meisten Menschen nicht mehr oder nur noch gering ansteckend.
Wenn du geimpft bist und dein Immunsystem nicht stark eingeschränkt ist, heißt das nicht, dass der Virus gar nicht mehr in deine Zellen kommt, sondern nur, dass dein Immunsystem schneller reagieren kann.
Es werden im Idealfall so schnell so viele Antikörper gebildet, dass du keine oder nur milde Symptome bekommst und nicht oder nur gering
[Hier werden noch mehr Studien kommen] ansteckend bist.
Trotzdem kann es sein, dass eine Person, die geimpft ist, für einen kurzen Zeitraum eine Virenlast hat, die ausreicht, eine PCR positiv werden zu lassen - aber das in vielen Fällen mit einem hohen ct-Wert, also mit sehr sehr niedrigem Ansteckungsrisko.
Derzeit schicken wir diese Personen trotzdem in Quarantäne, aber es kann gut sein, dass bald eine richtlinie kommt, dass diese Quarantäne mit einem zweiten PCR-Test schnell aufgehoben werden kann.
Ein großer Teil der Leute, die trotz Impfung positiv testen, sind Leute, die regelmäßig PCR-Tests machen, z.B. medizinisches Personal.
[Leider auch etwas Bias, weil die Leute, die bis jetzt geimpft werden die sind, die auch am häufigsten getestet werden. Time will tell.]
Also Antwort auf die Frage oben:

Wenn geimpfte Leute mit einem hohen ct-Wert positiv testen, ist das normal und nicht sehr beunruhigend.

Wenn [nicht immunkomprimittierte] Menschen mit einem niedrigen ct-Wert positiv testen, dann ist das sehr beunruhigend.
Derzeit veranlassen wir bei allen geimpften Leuten, die positiv testen, standardmäßig eine Genomsequenzierung des Virus um Varianten, gegen die die Impfung schlechter wirkt schneller erkennen zu können und dann [hoffentlich] gezielter gegen die Ausbreitung vorgehen zu können.
Zum Abschluss noch ein paar Gedanken, die abwechselnd beuunruhigend und beruhigend sind:
In einer Bevölkerung, die teilweise immun ist, aber die Inzidenz noch hoch ist, steigt das Risiko für das Aufkommen von Escape-Mutationen - also Viren, die der Immunantwort ausweichen und einen Impfstoff wirkungsloser machen können.
Die existierenden Impfstoffe bieten gegen alle bekannten Varianten einen ausreichenden Schutz.
Aber: Die P1-Variante [Manaus] und die B1.351 [Südafrika] sind bereits bekannte Varianten, die häufiger zu Reinfektionen führen können.
mRNA-Impfstoffe lassen sich schneller an Escape-Mutationen anpassen, die Entwicklung und Zulassung und Produktion könnte stark beschleunigt werden
Wenn es eine Mutante gibt, die auf die Impfung gar nicht anspricht, ist es unwahrscheinlich, dass wir diese gezielt eindämmen können - das ist mit der B.1.1.7-Variante in Ländern mit höheren Inzidenzen auch nicht gelungen.
Das kritische Zeitfenster für das Aufkommen und die Ausbreitung von Escape-Mutationen beginnt, wenn die Bevölkerung teilweise immun ist und endet, wenn die herd immunity erreicht ist und die Inzidenzen gegen 0 sinken.
Der Anteil der Bevölkerung der bei vollständiger Lockerung geimpft sein muss um herd immunity zu erreichen ist durch die ansteckenderen Mutationen gestiegen und herd immunity wird definitiv nicht erreicht solange U18 nicht geimpft werden aber Schulen und Kitas offen sind.
Die Moral von der Geschichte – und das sollte allen Entscheidungsträger*innen bewusst sein – ist, dass Impfstoffe uns keinen ausreichenden Grund dafür geben, die Inzidenzen nicht niedrig halten zu müssen.
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