In Zeiten, in denen #Schulen i.d. Öffentlichkeit weitgehend zu einem Ort kindlicher+jugendlicher Glückseligkeit verklärt werden, möchte ich mit diesem Thread
daran erinnern, dass diese Vorstellung als "umstritten" gelten kann, gelinde gesagt. 1/15
https://www.prosoz.de/fileadmin/dokumente/service-downloads/Elefanten-Kindergesundheitsstudie_2012.pdf

https://www.prosoz.de/fileadmin/dokumente/service-downloads/Elefanten-Kindergesundheitsstudie_2012.pdf
Die linke o.a. Grafik stammt aus "Über die Gefährdung des Kindeswohls durch die Schule. Ein unmögliches Essay zur Therapie einer krankmachenden Institution" des Erziehungswissenschaftlers+Sonderpädagogen Hans Wocken, das ich zur Lektüre empfehle. 2/15
https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/21/21
https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/21/21
Dort heißt es u.a.: "Schule ist eine pädagogische und eine gesellschaftliche Einrichtung; [...] Aber dieser Auftrag, auf das Leben vorzubereiten, wird von der heutigen Schule einseitig interpretiert als Vorbereitung auf eine neoliberale Konkurrenzgesellschaft." 3/15
Das muss man nicht so sehen, aber es zeigt, dass es keineswegs einfach gegeben ist, dass Schule dem Kindeswohl per se förderlich ist. Und es gibt zahlreiche Befunde, die belegen, dass es zB für viele Mädchen/junge Frauen, Minderheiten und Behinderte überhaupt nicht so ist. 4/15
"Geschlecht, Migrationsstatus+Sozialstatus haben einen durchgängigen Einfluss auf die Prävalenzraten von psychosozialen Auffälligkeiten. Kinder mit Migrationsstatus zeigen mehr Auffälligkeiten. Der deutlichste Einfluss geht von dem Sozialstatus aus."
https://www.kiggs-studie.de/deutsch/studie.html 5/15
https://www.kiggs-studie.de/deutsch/studie.html 5/15
Auch im angloamerikanischen Raum werden Schul-Traumata längst lang und breit diskutiert: Da es hier um Deutschland geht, verlinke ich nur einen Artikel, der sich speziell um Minderheiten dreht, das grundsätzliche Thema Bullying käme noch dazu. 6/15 https://www.tolerance.org/magazine/summer-2019/when-schools-cause-trauma
Erinnern wir uns, wie voll Popkultur mit Inhalten ist, die Schule als Ort der Rebellion dagegen beschreiben, von Morrisseys "Belligerent ghouls", die die "Manchester schools" betreiben, über "Hurra, hurra, die Schule brennt" bis Bart Simpson. 7/15
Wenn ich im #Corona-Kontext Meldungen wie diese lese, die v.a. anekdotische Behauptungen von Kinderärzten enthalten, und als altbekanntes und scheinbar offensichtlichtes Allheilmittel Schulöffnungen empfehlen, werde ich daher ziemlich skeptisch. 8/15 https://www.tagesschau.de/inland/kinder-corona-109.html
Weil: Es könnte ja sein, dass die Kids schlicht in einer Albtraumwelt leben, die aus lernen, essen, schlafen besteht, kaum Freunde, keine Hobbys, kein Sport, keine Kultur, dafür Existenzängste, Gesundheitsängste usw. Social Media+Games erscheinen mir da noch als das Geilste. 9/15
Zudem wird geflissentlich übergangen, dass nach wie vor je nach Bundesland ca. 1/3 der Grundschüler im Präsenzunterricht, in Hamburger Kitas gar 50% der Kinder anwesend sind. Man darf annehmen, dass es sich überproportional um Kinder handelt, deren Eltern... 10/15
... jene "systemrelevanten" Jobs haben, die sich nicht im Home Office machen lassen - also genau die Klientel, um die man sich angeblich so sorgt. Natürlich kümmert es sonst im Sommer kaum wen, dass arme Familien nicht verreisen können und Kinder vernachlässigt rumhängen. 11/15
Zweitens erscheint es mir im Lichte jahrzentealter Pisa- und Inklusions-Debatten nicht besonders glaubwürdig, wenn eine diskursprägende akademische Mittel- und Oberschicht ausgerechnet in der Pandemie auf einmal "Bildungsgerechtigkeit" als Herzensthema entdeckt. 12/15
Wem es wirklich um Kinder+Jugendliche, ihre Verletzungen+Traumata während dieser ganzen Scheiße hier geht, kann sich deshalb nicht im Ruf nach offenen Schulen erschöpfen. Diese Eindimensionalität existiert nur i.d. Vorstellung von Schulsenatoren+Kultusministern. 13/15
Zumal wenn diese auch noch kund tun, i.d. Schule sei alles super, aber das Privatleben sei das Problem. Nein, das Problem ist, dass Kindheit+Jugend i.d. pandemischen Gesellschaft (er-)lebbar sein müssen. Dass volle Schulklassen dafür notwendig sind, ist nicht erwiesen. 14/15
Meine Frage ans Publikum lautet daher: Welche Studien gibt es, die die #Corona- und #Lockdown-Auswirkungen auf Kinder+Jugendliche in Deutschland fundiert untersuchen? Und sich dabei genau um die o.a. Indikatoren kümmern? 15/15 @PatrickGensing @DieVilla4 @elvira_rosert @ciffi