Warum freuen sich so viele Linke und Linksliberale über die Zensur von Trump?

Christopher Lasch schreibt in Revolt of the Elites von dritten Orte (bspw. Kneipen, öffentl. Bibliotheken) als öffentlichen Raum für Begegnungen und politischen Debatten. https://twitter.com/DIEZEIT/status/1347690201381019648
Diese Orte sind recht egalitär, denn hier kann man weitgehend unabhängig von individuellen Klassenzugehörigkeiten an diesen Orten debattieren. Diskussionen am Stammtisch werden gewonnen durch Charakterstärke statt durch Demonstration kulturellen oder symbolischen Kapitals.
Für die politische Kultur sind diese dritten Orte von herausragender Bedeutung, denn hier kann jedermann ohne große Einschränkungen seine Meinung kundtun. Auch deshalb, so Lasch, sei die Kneipe immer ein Ort politischer Agitation gewesen.
Die Expansion des Markts hat diese dritte Orte jedoch stark dezimiert. Die suburbane Shopping-Mall verdrängt die Gemeinschaft in der Nachbarschaft. Ideologisch hat die Linke Anteil daran, denn eine Kritik an dritten Orten war, dass sie ein Ort der Unterdrückung der Frau sei.
Auch wenn sie keine traditionellen dritte Orte sind: Im Falle von Social Media können wir eine ähnliche Palette von Argumenten sehen. Social Media als Mittel um Hass, Rassismus, Verschwörungstheorien und allerlei "gefährliche Ideen" zu verbreiten.
Es ist kein Zufall, dass die Forderungen nach mehr Zensur aus der akademischen Mittelklasse kamen. Es gibt in der PMC ein tief antisoziales Bedürfnis nach mehr Abschottung nach unten: Man möchte den rassistischen und sexistischen Quatsch des Pöbels nicht lesen müssen.
Die weitgehende Regulierung & Bürokratisierung von Social Media begünstigt die PMC mit ihren akademischen Qualifikationen und sprachlicher Eloquenz. Wer sich im Ton vergreift oder die neuesten Regeln der politischen Korrektheit nicht kennt läuft Gefahr rausgeschmissen zu werden.
An die Stelle informeller Regeln, gestützt durch einen breiten gesellschaftlichen Konsens bezüglich Fragen der Höflichkeit, Klarheit und Fairness tritt eine Bürokratie geprägt durch die PMC und ihrer akademischen Ideenwelt. Was geht und was nicht geht entscheidet die PMC.
An Stelle eines harten, aber fairen verbalen Schlagabtausches tritt der hypernsensible Diskurs, bei dem es jedem Beteiligten jeder Zeit frei steht sich als Opfer aufzuspielen und die bürokratische Maschinerie zu nutzen, um Andere von der Debatte auszuschließen.
Mit Christopher Lasch lässt sich das treffend als Revolte der Elite bezeichnen. Der Niedergang dritter Orte und die Erosion lokaler und regionaler Gemeinschaft ist ein historischer Prozess, der seit Jahrzehnten am Werk ist und dessen Opfer vor allem ländliche Gemeinschaften sind.
Man sollte daher Trumpismus und die Kampferklärung der "Globalisierungsverlierer" verstehen als Reaktion auf die Revolte der Elite. Denn diese hat die Abgedrängten, den basket of deplorables/Dunkeldeutschland, bereits vor Jahrzehnten aufgegeben.
Der Jubel der Linken über die permanente Zensur von Trump durch Unternehmen ist Ausdruck dieser elitären Revolte. Er offenbart nur die Dimension an Abscheu seitens der Linken, mit der man auf die Arbeiterklasse und die merkwürdigen Elemente ihrer Ideenwelt niederblickt.
Die Frage ist also weniger, warum die Linken die Zensur von Trump begrüßen. Die Frage sollte lauten: Warum hasst die Linke die Arbeiterklasse?
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