Ich habe mir Trumps 46-Minuten langes „Statement“ angeschaut, damit ihr es nicht müsst. Hier kommt die #ardentanalyse dazu. Denn: auch wenn viele sagen, man solle sich nicht darum kümmern, was er sagt, halte ich es für wichtig, seine Aussagen in Kontext zu setzen.
Trump beginnt, in dem er sagt, dass dies die vielleicht wichtigste Rede sei, die er je halten werde. Es ist mit Sicherheit die gefährlichste für die amerikanische Demokratie, die er je gehalten hat, und das will was heißen.
Er wiederholt Verschwörungserzählungen, mit denen er bereits im Wahlkampf immer wieder aufgetreten ist. Er behauptet beispielsweise, „sie“ (ohne zu sagen, wer diese ominöse Gruppe sein soll - muss er auch nicht, seine Anhänger:innen wissen wer gemeint ist) hätten Biden gesagt,
Er müsse keinen Wahlkampf machen. Das lässt natürlich komplett außen vor, dass Biden auf Grund der Pandemie Rallies etc. Auf ein Minimum herunter gefahren hat - um seine Anhänger:innen zu schützen, während Trump kein Problem damit hatte, sie einem tödlichen Virus auszusetzen.
Trump kleidet seinen Angriff auf die amerikanische Demokratie in demokratische Begriffe: der „verfassungsmäßige Prozess“ müsse erlaubt sein, es müsse gestattet werden, dass Amerikaner:innen weiterhin den Glauben in das Wahlsystem haben könnten.
Ein klassischer Propaganda-Move: Impliziere, dass deine Gegner etwas tun und tu es dann selbst. Indem er behauptet, die Demokraten würden die amerikanische Demokratie untergraben, schafft er sich rhetorisch ein Ablenkungsmanöver, während er selbst genau das tut.
Er dramatisiert seine haltlosen Verschwörungserzählungen vom Wahlbetrug, indem er behauptet „They just didn’t know that it was going to be that tough, because we were leading in every swing state by so much, far greater than they ever thought possible“
Denn natürlich muss, wenn alles in der Realität, die jede/r mit eigenen Ohren und Augen wahrnehmen kann, auf eine Niederlage Trumps hinweist, das ein Zeichen dafür sein, dass die Verschwörung viel geheimer und größer ist als gedacht.
Es ist das klassische Muster von Verschwörungsmythen: Jeder Beweis, der sie widerlegt, wird als Zeichen dafür gesehen, dass die Verschwörung weiter greift als bisher gedacht - und dass derjenige, der das Gegenargument bringt, auch mit drin hängt.
Trump lügt direkt: was sind schon Fakten? Er behauptet, dass Briefwahl extremst anfällig für Betrug sei und zu massivem Betrug führen würde. „This is not disputed. It has never been disputed“ Das ist nicht wahr.
Dann behauptet er, in Wisconsin habe es mehr als 100.000 Menschen gegeben, deren Adressen nicht bestätigt werden konnten: „They knew why, nobody else did. I knew why. They were illegal voters.“ Auch hier sehen wir eine faschistische Tendenz: I alone can fix it.
Hier kommt zugleich ein kultischer Aspekt mit herein: In einem Kult verfügt der Anführer über geheimes Wissen, zu dem nur er Zugang hat. Die Klubmitglieder dürfen an seinem Wissen teilhaben. Das stärkt den Gruppenzusammenhalt und gleichzeitig das Überlegenheitsgefühl nach außen
Trump versucht immer wieder, den Verschwörungsmythos unterzubringen, dass Menschen gewählt hätten, die keine Amerikaner seien. Etwas, das bei der Basis gut ankommen wird: die Ausländer waren es. Am besten kommunistische Ausländer, die sich mit den Demokraten verschworen haben.
Trump hat außerdem Props mitgebracht: Ein Pappschild, das er in die Kamera hält, und wieder erzählt er von den angeblichen „massive dumps“ von Wählerstimmen, die um „3:42 morgens“ gemacht worden seien. Stephen Colbert hat das Ganze bereits hübsch verarbeitet.
Trump erzählt ein rührseliges Märchen von seinen Anhängern, die „unschuldig“ wählen wollten, nur um gesagt zu bekommen, dass sie bereits abgestimmt hätten. Erinnerung: Er hatte vorher dazu aufgerufen, wenn möglich zweimal für ihn abzustimmen, aber das nur am Rande.
Trump nutzt außerdem für sich, dass einige der Umfragen falsch lagen, was das Rennen im Kongress angeht. „Republicans were supposed to lose many seats, and instead they won those seats in the house“ Davon, dass Umfragen daneben lagen, lässt sich jedoch kein Wahlbetrug ableiten.
Dann schadet er noch Perdue und Loeffler in Georgia, die im Januar zur Wahl antreten, die darüber entscheidet, wer die Mehrheit im Senat erhält: Trump sagt, da dieselbe Wahlsoftware in Georgia benutzt werde wie in der General Election, werde es auch hier zum Betrug kommen.
Für die Republikaner ist dieses Narrativ ein massives Problem, wie schon RNC Chairwoman McDaniel erleben musste, als sie auf einer Veranstaltung gefragt wurde, warum Republikaner überhaupt wählen sollten, wenn das System manipuliert sei.
Trump versucht, das zu vermeiden, indem er hinterherschickt, dass es diesmal anders sei, weil es sich nur um einen Bundesstaat handle und sie sehr genau aufpassen würden, was mit den Stimmen dort geschehe.
Damit ist der Block zu Georgia auch schon vorbei und er geht wieder zu seiner Beschwerdeliste über - und sein Verständnis von Zahlen ist, sagen wir, nicht existent. Es sei statistisch nicht möglich, dass er verloren habe, weil er zu Beginn geführt habe.
Er befeuert weiter das rassistische Narrativ, bestimmte Städte in den USA (in denen vor allem BPoC leben), seien korrupt: „Look even here, normal, and then boom, all of a sudden, I go from winning by a lot to losing a tight race. It’s corrupt. Detroit is corrupt.“
Kommen wir zum vielleicht gefährlichsten Teil seiner Rede (und das heißt was): „Millions of votes were cast illegally in the swing states alone, and if that’s the case, the results of the individual swing states must be overturned, and overturned immediately.“
Der Präsident der USA verlangt, dass die Ergebnisse demokratisch durchgeführter Wahlen in Swing States und damit das Wahlergebnis insgesamt für ungültig erklärt werden. Er geht aber noch weiter. Manche würden sagen das sei „too harsh“ - denen würde er entgegnen:
„Well, does that mean we take a precedent, and we’ve just elected a president where the votes were fraudulent? No, it means you have to turn over the election“ und dann wendet er sich direkt an den Supreme Court: „the Supreme Court of the United States will see it...“
„... and respectfully, hopefully, they will do what’s right for our country, because our country can not live with this kind of an election.“ Er ruft den Obersten Gerichtshof dazu auf, die Wahl für ungültig erklären zu lassen. Was komplett absurd ist.
Aber der Möchtegern-Diktator ist noch nicht fertig. Er überlegt, wie man danach vorgehen sollte. Eine Neuwahl sei seiner Meinung nach nicht „angemessen“, weil es ja ohnehin nur wieder Betrug geben würde. Damit es deutlich wird: Der Präsident will ohne Wahl im Amt bleiben.
Trump will keine Demokratie. In einer Demokratie kann er nicht gewinnen, er hat verloren - und die Republikaner, die ihn bereits für 2024 unterstützen, tragen das bereitwillig mit. Minority Rule als Konzept wird von der GOP jetzt offen zur Schau getragen.
Trump wird noch perfider, indem er behauptet, er würde auch für diejenigen kämpfen, die nicht für ihn gestimmt hätten - implizierend, dass der angebliche Wahlbetrug ja auch ihnen schaden würde.
Wir erreichen ein noch abgedrehteres Niveau von Verschwörungserzählungen, als Trump zu implizieren scheint, dass den Mitgliedern seiner Regierung, die seinen Versuch die Demokratie zu untergraben nicht aktiv unterstützen, Schlimmes zugestoßen sein könnte:
„Some people in this administration, but fortunately not all have been beaten down and disparaged. They just disappeared. Nobody knows what happened to them. Why aren’t they active? Why aren’t they involved?“
Die, die ihn nicht offen unterstützen würden, seien von Demokraten bedroht worden: „They just couldn’t take it anymore. They were threatened by Democrats with impeachment and horrible things were said about them.“
Christlicher Nationalismus schafft es natürlich auch in die Rede: „This is about our democracy and the sacred rights that generations of Americans have fought, bled, and died to secure.“ Mehr zur Verbindung von Chr.N. Und Gewalt/Blut gibts allerspätestens in meinem Buch.
Trump behauptet zwar, er sei bereit, jedes Ergebnis zu akzeptieren, aber es ist völlig klar, dass damit gemeint ist: jedes Ergebnis, das mir passt. Er hat es schon früher gesagt: „ich werde das Ergebnis akzeptieren, wenn ich gewinne“. Man hätte ihm das glauben sollen.
Er schließt damit, dass es um nichts anderes als um die Existenz des Landes gehe: „If we don’t root out the fraud, the tremendous and horrible fraud that’s taken place in our 2020 election, we don’t have a country anymore“ - bedeutet: Entweder ich gewinne, oder Amerika als Land
Hört auf zu existieren. Und es käme jetzt auf die Amerikaner:innen an: „With the resolve and support of the American people, we will restore honesty and integrity to our elections.“
Trumps Rede zeigt, was passiert, wenn man seine wirren Verschwörungsideen in eine zusammenhängende Rede gießt: Es entsteht eine Verschwörungslogik, die nur einen möglichen Ausgang hat: er wurde betrogen und mit ihm das Volk - wozu Wahlen, wenn doch klar sei, dass Trump gewinnt?
Trump Reden fühlen sich an wie Zahnschmerzen, nur viel gefährlicher für die Demokratie. Wer meine Arbeit unterstützen möchte, kann das hier tun: https://www.patreon.com/annikabrockschmidt Es gibt extra Inhalte, Audio Updates und Hundebilder, je nach Stufe. Ich danke euch fürs bis hier lesen 💕
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