Zunächst liegt die intellektuelle Parallele auf der Hand, sobald man „rechts“ im Sinne der neurechten Bewegungen als diskursive Haltung versteht: als Haltung, die den rationalen Diskurs auf Grundlage von Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit ablehnt. 2/
Überzeugend ausgeführt in „Mit Rechten reden“ von @MaxSteinbeis, @Fionnindy u. Per Leo. Genauer gesagt tritt an die Stelle einer intersubjektiv zu verteidigenden Wahrheit eine subjektive Wahrheit, über nur die jeweilige Denkerin verfügt. 3/
Das kommt dem evangelikalen Protestantismus entgegen, der sich dem liberalen, später histor.-kritischen, heute pluralistisch aufgestellten rationalen Diskurs des Mainstreams der Theologie entzieht. Diese evangelikale Wahrheit offenbart sich nur den Erleuchteten. 4/
Sie muss sich deshalb nicht rechtfertigen. Dem kommt entgegen, dass der rationale Diskurs, wie ihn etwa Pannenberg oder Huber führen, auch im Mainstream nie ganz unangefochten blieb, was in der Dialektik der Theologie begründet sein mag. Man denke an Barth oder postmoderne /5
Strömungen (zur Sicherheit: Letztere tragen nicht deshalb Verantwortung für den Rechtsdrall Evangelikaler). Kurzum, es gibt hier erstaunliche intellektuelle Parallelen. Der subjektive Wahrheitsbegriff ist eingeübt. Dazu kommt die „Landeskirchenferne“ vieler Evangelikaler. /6
Das unterscheidet sie von der Staatstreue großer Teile des Protestantismus, einschließlich der unsäglichen „Deutschen Christen“ - mit denen die Evangelicals aber absolut nichts gemein haben. /7
Der subjektive Wahrheitsbegriff ist auch esotherischen Strömungen in der Ökobewegung geläufig. Hier kenne ich mich nur oberflächlich aus, doch die Parallele tritt bereits in der ökologischen Ur-Bewegung, der Romantik, recht deutlich hervor. /8
Alles das kommt in ökologisch angehauchten spirituellen Bewegungen zusammen, erstmals wohl in der Anthroposophie, mit der mich eine wechselvolle persönliche Geschichte verbindet, so dass mir dieser Satz außerordentlich schwer fällt. Aber was sein muss, muss sein. 😔 /9
Das Schema setzt sich fort in vielen heitigen spirituellen Ökobewegungen, einschließlich Anastasia usw. Dazu kommt das militante Element, das in der Ökobewegung auch gut einstudiert ist. /10
Jeder kennt diese wechselvolle Geschichte, von Anti-Atomkraft bis S21 und Hambi, deren rechtliche Essenz mehrere BVerfGE-Bände füllt. Zur Sicherheit: Nein, die meisten DemonstrantInnen sind nicht rechts. Der Widerstand ist auch nicht dafür verantwortlich, dass es rechte Ökos /11
gibt. Er hat es ihnen nur erlaubt, ihre Renitenz zu trainieren. Aber Kausalität ist nicht Verantwortung, die liegt nämlich bei jedem selbst. /12
Was kann man daraus lernen? 1. Protestantische (vllt auch katholische?) und ökologische Gruppierungen dürfen nicht dem Irrtum erliegen, die Rechten seien die Anderen. Sie müssen sich innerhalb gegen rechte Gruppierungen sowie gegen rechtsgeneigte Epistemologien abgrenzen. /13
Dazu gehören sämtliche Erscheinungsformen der gefühlten Wahrheit.
2. A fresh look at Protestformen. Widerstand ist immer nur die ultima ratio. Man könnte ihn auf Fälle unmittelbarer Gefahr schwerer Menschenrechtsverletzungen begrenzen. ZB Kirchenasyl - ja, /14
Waldarbeiten verhindern - nein. Es macht auch einen Unterschied, ob der Protest hochorganisiert oder kleingruppenzentriert ist (zB ein paar verstreute Hausbesetzer). Ist das anthropozentrisch? Vielleicht. Ist es reaktionär? Nein. Die gesellschaftlichen Erosionsprozesse von /15
radikalem Widerstand sind besonders dort ernst zu nehmen, wo Rechte epistemologisch um die Ecke lauern. Deshalb ist dies auch keine Hufeisentheorie. /16
Glückwunsch, falls Ihr bis hierher gekommen seid 😉. /Ende
Nachtrag: Radikale Strömungen des Katholizismus mögen Evangelikalen in ihren Positionen ähneln, basieren aber wohl eher auf aristotelisch/scholastischen Traditionen. Also keine gefühlte, sondern durch Tradition offenbarte Wahrheit. Correct me if I‘m wrong.
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