Ich war vor zwei Jahren für ein paar Monate in Kalifornien, als ebenfalls an allen Ecken brannte, und das war eine der bedrückendsten Erfahrungen, die ich je gemacht habe.
Ich hatte vorher eine sehr naive Vorstellung davon, was so ein Brand bedeutet, so nach dem Motto: klar, Feuer ist gefährlich – wenn man zu nah dran ist. Unser Haus war 5 Kilometer von den Flammen entfernt, und man wusste: falls sich was ändert, wird man rechtzeitig evakuiert.
Bis dahin sieht man Feuerwehrautos, Löschflugzeuge, Hubschrauber – obwohl man rational weiß, dass das hier eine Katastrophe ist, ist es auf einer unterbewussten Ebene auch ein Abenteuer: man sieht Dinge, die man maximal aus Filmen kennt.
Bis sich plötzlich eine Sache ändert…
Die Luft wird auf einmal toxisch. Ich kam mir blöd vor, dass ich nie drüber nachgedacht habe – hab aber irgendwann festgestellt, dass das kaum jemand tut, der es nicht selber erlebt hat. Ich war zu der Zeit mit einem Freund in San Francisco…
…und im Gegensatz zu LA war das Feuer da so weit entfernt, dass man es nicht sehen konnte – mehr als 30 Meilen. Und trotzdem: die Luft war so schlecht, dass ich innerhalb von zwei Stunden krank geworden bin.
Ein extremes Unwohlsein, weil man merkt: mit jedem Atemzug kommen bestimmte Dinge in den Körper, die definitiv giftig sind, und die der Körper auf jeden Fall wieder los werden will.
Mein Hotel war damals auf einem Hügel, und ich musste auf dem Weg zurück, nach dem Abendessen, auf halber Strecke Pause machen, weil ich einfach nicht mehr konnte – es waren nur ein paar hundert Meter, aber die Luft war einfach zu giftig.
An anderen Tagen wäre das hier Nebel – hier ist es Smog. Wenn man die Bilder von den letzten Tagen vergleicht, ist es jetzt deutlich schlimmer – weil die Brände näher sind. Aber schon damals war die Luft so, dass man dort praktisch nicht mehr leben konnte – nicht auf Dauer.
Das war das erste Mal, dass ich verstanden habe, was Klimawandel konkret bedeutet. Nicht, weil ich vorher nicht dran geglaubt habe, sondern weil ich zum ersten Mal gespürt habe, wie hilflos man ist, wenn sich die Umwelt gegen einen wendet.
Wenn Dinge passieren, die so groß sind, dass man ihnen nicht entfliehen kann. Wenn wie jetzt halb Kalifornien brennt und halb Oregon auch noch, dann müsste man teilweise hunderte Meilen weit fahren, um den nächsten Ort zu erreichen, an dem die Luft nicht toxisch ist.
Das ist die Luft jetzt gerade an der Westküste. Alles ab 100 gilt als ungesund – Luft, in der man Maske tragen und keinen Sport mehr treiben soll.
Mich hat das damals tief deprimiert – vor allem weil die USA nicht der beste Ort sind, um über Klimaschutz zu reden. Ich hab in Malibu mit einer Frau geredet, die sich darüber geärgert hat, dass das Haus ihrer Freundin abgebrannt ist und ihres nicht – „she get’s a new one now!“
Aber vor allem hat mich das so erschrocken, dass ich danach beschlossen habe, viel radikaler zu werden: ich bin seitdem nicht mehr geflogen, versuche Plastikmüll zu vermeiden und ziehe nur noch dunkelblaue Sachen an, um weniger Klamotten kaufen zu müssen. Mag albern klingen…
…aber jede Diskussion darüber, wer zuerst irgendwas machen muss, (Die Wirtschaft! Die Politik! Die Verbraucher*innen!), fühlt sich seitdem so banal an.
Weil es vielleicht einfach schon fucking zu spät ist – und wir aber ganz sicher nur eine Chance haben, wenn wir Dinge viel grundsätzlicher in Frage stellen, als bisher. San Francisco ist einer der reichsten Orte der Welt…
…aber all die Teslas und Aktienoptionen sind exakt gar nichts wert, wenn die Luft so schlecht ist, dass man entweder erstickt oder irgendwann einfach Krebs kriegt. Und dann geht es nicht mehr darum, wie oft man pro Jahr in Urlaub darf und wie weit weg…
…sondern wie viele Orte es überhaupt noch gibt auf der Welt, an denen Menschen dauerhaft leben können.
You can follow @StefanStuckmann.
Tip: mention @twtextapp on a Twitter thread with the keyword “unroll” to get a link to it.

Latest Threads Unrolled:

By continuing to use the site, you are consenting to the use of cookies as explained in our Cookie Policy to improve your experience.