In einer Zeit, in der die ganze Welt über Rassismus und Rechtsextremismus in der Polizei, über Polizeigewalt und rassistische Tötungsdelikte durch Polizeibeamte diskutiert, macht die größte deutsche Polizeigewerkschaft folgende Geschichte zum Titel ihres aktuellen Magazins.

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Der Ton ist klar: „Linksextremismus“, „Die kriminellen Erben der RAF“ (?), Feuer, Flammen, Todesgefahr, besonders für Polizisten. Wenn also das nächste Mal Beamte auf einer linken Demo herumlaufen, haben sie schon mal das richtige Bild, den richtigen Grusel im Hinterkopf.

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Die Titelgeschichte lautet übrigens: „Verstörende Menschenbilder“ und ist ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, „linksextremistischen Gruppen konsequent Grenzen aufzuzeigen“. Wegen der RAF und so.

Bebildert mit einem Pflasterstein und umstehenden Polizisten.

Kein Scherz!

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Geschrieben wurde der Artikel von einer Professorin der Kriminologie. Ihr aktuelles Forschungsprojekt:

„Kriminalität durch Personen, die aus kurdisch-arabischstämmigen Großfamilien stammen“, was übrigens „schon seit Jahren zu einem Problem für den Rechtsstaat avanciert.“

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Das alles ist kein Scherz!

In der ersten Ausgabe des Magazins nach dem Tod von George Floyd, während Nazis unbehelligt in Teilen der Polizei die Meinungsführerschaft übernehmen, kommt irgendjemand auf die Idee die RAF (!) und den Linksextremismus zum Titelthema zu machen.

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Die Sache mit den Nazis und der Meinungsführerschaft habe ich mir übrigens nicht ausgedacht.

Das steht im offiziellen Bericht jener Kommission, die die Machenschaften des Polizei-Nazi-Terrornetzwerkes „Nordkreuz“ aufdecken sollte.

/6 https://taz.de/Rechte-Prepper-Gruppe-Nordkreuz/!5674282/
„Der Kommissionsbericht fällt hart aus. Er beschreibt, wie rechtsextreme Polizisten die Meinungsführerschaft innerhalb einer SEK-Einheit übernehmen konnten und ihre Vorgesetzten nichts dagegen unternahmen.“

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Oder auch:

„Marko G. (eine der zentralen Figuren bei Nordkreuz) fiel bereits früh rechtsextrem auf. Im Innenausschuss des Landtages erfahren die Abgeordneten beispielsweise von Büchern über die Wehrmacht und die SS, die Marko G. zur Arbeit mitbrachte.“

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„Sie hören, von T-Shirts mit einem Spruch, der „eindeutig sei“. Die Kommission schildert auch, dass sich mindestens zwei Polizisten mündlich und schriftlich an Vorgesetzte wandten und Marko G. als „rechts verankert“ beschrieben. Die Vorgesetzten unternahmen nichts.“

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„Das war 2009, Marko G. wurde damals für den gehobenen Dienst fortgebildet.“

Rechtsextreme Bücher. Rechtsextreme T-Shirts. Auf der Dienststelle. Kollegen beschweren sich. Mündlich und Schriftlich. Die Vorgesetzten schauen weg, befördern ihn gar, den Nazi.

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Das ist übrigens einer von vielen Gründen, warum man von strukturellem Versagen in der Polizei spricht. Von latentem Rechtsextremismus. Von Blindheit auf dem rechten Auge.

Zeitgleich wird jede demokratische Kontrolle, jegliche Art von Transparenz diskreditiert.

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Der Kampf gegen den Rechtsextremismus in der Polizei, die Einsetzung von unabhängigen Polizeibeauftragten, externen Ermittlungsbehörden, Anlaufstellen, antirassistische Gesetzgebung:

Alles eine Infragestellung unseres Rechtsstaats. Sagt niemand Geringeres als der DGB-Chef.

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Versteht eigentlich irgendjemand, warum aus diesen Gründen die „Antifa“ den Kampf gegen den Faschismus übernimmt? Warum die „Antifa“ rechtsextreme Netzwerke zu Tage fördert & dokumentiert? Warum die „Antifa“ Gegenöffentlichkeit organisiert, schlicht Antifaschismus betreibt?

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Verwundert es eigentlich irgendwen, dass die Polizei nun ausgerechnet diejenigen kriminalisiert, die gegen die rechten Umtriebe in den Reihen der Polizei vorgehen?

Der Schritt vom Antifaschismus zum Linksextremismus ist für die Polizei erstaunlich kurz.

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Die ständige Erzählung vom Linksextremismus, obwohl dieser in Deutschland kaum organisiert ist, keine staatsgefährdende Bedrohung darstellt, kein linker Terror existiert, dient der bewussten Diskursverschiebung. Der Ablenkung von Nazi-Terroristen in den eigenen Reihen.

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Von daher ist diese Titelgeschichte kein bedauerlicher Ausrutscher, sondern die bewusste Verharmlosung von Rechtsextremismus und Neonazitum in der Polizei.

Das sollten die 200.000 Mitglieder der GdP wissen, wenn sie das nächste Mal ihr Mitgliedermagazin aufschlagen.

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Fast hätte ich es vergessen. Die Professorin, die den Linksextremismu-Artikel verfasst hat und an einer Polizeihochschule Polizist*innen ausbildet, schreibt natürlich auch für Medien wie @cicero_online und @Achgut_com.

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You can follow @stephanpalagan.
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